Das Notgeld
Die Überschrift ist irreführend. An Geld war im sprichwörtlichen Sinne eigentlich keine Not. Diese Not kam, weil gesetzliche Zahlungsmittel wie Münzen zur Mangelware wurde. Was führte um 1916/1917 in Deutschland und somit auch in Stadtlengsfeld zu einer solchen (Not-)Situation? Sie war eine Begleiterscheinung des 1. Weltkrieges. In Deutschland wurde nicht nur alles Gold und auch das meiste Silber eingezogen. Das galt auch für alle Münzen. Selbst die Orgelpfeifen der evangelischen Kirche und einige Glocken waren von dieser Maßnahme betroffen. Handel und Wandel verlangten kleine Zahlungsmittel, denn der "kleine Mann" kaufte für den täglichen Bedarf mit "Kleingeld" ein. So wie alle Gemeinden war auch Stadtlengsfeld gezwungen, Abhilfe zu schaffen und statt der kleinen Münzen Papiergeld herauszugeben. Stadtlengsfeld war im Feldatal die erste Gemeinde, die zu dieser Notmaßnahme griff. Am 1. Juli 1917 erschienen die ersten Notgeldscheine. Sie hatten einen Wert von fünf, zehn und fünfzig Pfennig.
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Am 1. März erschienen als Notgeld die Gutscheine im Wert von fünfundzwanzig und fünfzig Pfennig.
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Der Gutschein zeigt den ersten Entwurf eines Kriegsdenkmals für die 78 im 1. Weltkrieg gefallenen Väter und Söhne der Stadt. Dieser Entwurf konnte infolge der Inflation nicht verwirklicht werden.
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Das Papiergeld nutzte sich schnell ab und es war in der Herstellung für die Gemeinde teuer. Da besann man sich auf die Möglichkeit, in der hiesigen Porzellanfabrik Münzen aus Porzellan als Notgeld in Umlauf zu bringen. Dieses Porzellangeld hatte einen Wert von fünfundzwanzig, fünfzig und einhundert Pfennig.
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Mit der Zeit setzte eine große Sammeltätigkeit und ein schwunghafter Handel mit allen Sorten von Notgeld ein. Damit ließ sich Geld verdienen, dachte sich der Stadtlengsfelder Gemeinderat. Den Entwurf für "künstlerisches Notgeld" verfasste der zu dieser Zeit tätige Rektor Henschel. Sein Vorbild war die Sage von der Wunderblume am Baier. Auf den sechs Scheinen zu je fünfzig Pfennig fasste er die Sage in folgenden Kurzversen zusammen:
Die Wunderblume am Baier stand,
wo sie vor Zeiten ein Schäfer fand.
Der Schlüssel führt in den Berg hinein,
da blenden ihn Gold und Edelstein.
Er füllt sich die Taschen und füllt sich den Hut,
so viele sie nur fassen von dem glänzendem Gut.
Beim Scheiden zum Schäfer der Wichtelmann spricht:
"Mein Freund, vergiss das Beste nur nicht!"
Was der Schäfer im Innern der Berge fand,
verwandelt sich draußen in wertlosen Tand.
Da rief der Betrogene: "Ich blinder Tor!
Nun bin ich ein Schäfer und arm wie zuvor!"
Vorderseite eines jeden Scheines
Dieses "künstlerische Notgeld" spülte in die Gemeindekasse ein Gewinn von etwa 80 000 Mark. Die einsetzende Inflation machte aber bald auch diesen Gewinn zunichte