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Geschichte der jüdischen Gemeinde von Stadtlengsfeld

 

Stadtlengsfeld hat eine über 400 jährige jüdische Geschichte. Die ersten Juden kamen wohl um 1500 nach Stadtlengsfeld, nachdem sie aus der benachbarten Grafschaft Henneberg ausgewiesen wurden. Warum ausgerechnet nach Stadtlengsfeld? Der Ort hatte eine Stadtmauer, die mehr Schutz gewährte. Es gab Wochen- und Jahrmärkte, was für die Handelstätigkeit der Juden von Vorteil war. Die Freiherren von Boineburg besaßen als solche das Privileg, in ihrer Herrschaft Schutzjuden aufnehmen zu dürfen. Der Status als Schutzjuden bewahrte sie vor Willkür und Übergriffen, denn sie bezahlten diesen Schutz mit einer Schutzgeldsteuer und anderen Sonderabgaben an die Boineburgs. Den Freiherren waren diese Einnahmen willkommen, mussten sie sich doch öfter gegen ihre übermächtigen Nachbarn auch gerichtlich auseinandersetzen. Das kostete Geld.

Noch sichtbare Zeugnisse von der Ansiedlung der Juden im 16. Jahrhundert sind kaum noch sichtbar. Nur der Anblick der ältesten Grabsteine des jüdischen Friedhofes vermitteln einen Eindruck von der langen Geschichte der jüdischen Gemeinde im Ort. Der Friedhof wurde wohl schon in der Mitte des 16. Jahrhunderts angelegt. Damals kaufte die jüdische Gemeinde ein Stück Land am heutige Roten Graben. Andere Dokumente lassen den Rückschluss zu, dass es eine Synagoge und ein Tauchbad (Mikwe) gegeben hat (vgl. Rolf Leimbach: Spuren der israelitischen Gemeinde von Stadtlengsfeld, Lengsfelder Geschichten XIII).

Gesamtansicht des jüdischen Friedhofes im Roten Graben

Teilansicht des jüdischen Friedhofes

Ursprünglich war der Zuzug von Juden im Boineburgschen Besitz auf acht Familien begrenzt. Aber was sagt das schon über die tatsächliche jüdische Einwohnerzahl aus? Diese acht Familien nennen nur die Familienoberhäupter und Wittwen, die Ehefrauen und die Kinder unter 13 Jahren wurden namentlich gar nicht erfasst. Während in vielen anderen Herrschaftsgebieten um das Niederlassungsrecht nachsuchende Juden ein Eigenkapital von 300 bis 500 Talern oder Gulden nachweisen mussten, schien das die Freiherren von Boineburg und Müller nicht zu kümmern. Das belegen Schutzgeldlisten. Der starke Zuzug jüdischer Menschen führte zu einer Belästigung der christlichen Einwohner durch hausierende und bettelnde Juden. Erst nach Protesten der Gemeindevorsteher geboten die Boineburgs dem ungehemmten Zuzug der Juden Einhalt. Dennoch tat das der weiteren Einwanderung jüdischer Menschen keinen keinen Abbruch. Verlässliche Zahlen über die Anzahl der jüdischen Menschen in der Frühzeit der jüdischen Gemeinde aber sind kaum zu gewinnen. Hier ist man auf Schätzungen angewiesen. Eine Vermögenserfassung der in der Freiherrlichen Stadt Lengsfeld lebenden Juden 1731 zählt 29 Personen. Zählt man Ehefrauen und Kinder über 13 Jahre dazu sind es schon 60 Juden. 1773 wurde das Vermögen von 55 jüdischen Familien erfasst. Wieder sind Ehefrauen und Kinder nicht aufgeführt. Der Höhepunkt wird um 1800 erreicht. Die jüdische Gemeinde in Stadtlengsfeld umfasst etwa 800 Mitglieder. Das waren fast 40% der Gesamtbevölkerung.

Das Leben in der jüdischen Gemeinde regelten Judenordnungen. Sie wurden von den Freiherren von Boineburg und von Müller in Zusammenarbeit mit den Vorstehern und Rabbinern der jüdischen Gemeinde abgefasst. Fragmente solcher Judenordnungen liegen aus den Jahren 1737, 1739, 1764 und 1765 vor. Sie regelten z. B. den Ablauf und die Ordnung der Gottesdienste in der Synagoge, die Menge des Kaufes von Fleisch geschächteter Tiere, Vorschriften bei der Eistellung von Knechten und Mägden in jüdischen Familien, die Versorgung mittelloser Juden mit einer täglichen warmen Mahlzeit, die Dauer des Vorsteheramtes und auch die Entrichtung von Steuern und Abgaben innerhalb der jüdischen Gemeinde.
1808 kamen Stadtlengsfeld, Gehaus, Völkershausen und Vacha zum Königreich Westfalen. Hier galt der „Code zivil“, das französische Gesetzbuch. Eine herrschende Religion gab es im Königreich nicht. Alle Konfessionen hatten gleiche Rechte. 1813 war das französische Intermezzo schon wieder vorbei und es kehrten die alten Verhältnisse ein. Doch der Prozess in die Emanzipation der Juden war in Gang gesetzt. Als 1816 Stadtlengsfeld dem Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach zugeteilt wurde, sicherte der Großherzog den Juden die Rechte zu, die sie im Königreich Westfalen besaßen. 1823 erließ das Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach eine Judenordnung. Sie beinhaltete Festlegungen zur Gleichstellung der Juden.

Stadtlengsfeld war längst zu Zentrum des jüdischen Lebens im Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach geworden. So war es nur folgerichtig, dass hier 1824 das Landrabbinat eingerichtet wurde.
Der erste Landrabbiner war Isaac Joseph Kugelmann Heß. Er ging erste Schritte zur Gleichstellung der Juden zusammen mit Dr. Christian Schreiber, der Pfarrer der evangelischen Kirche in Stadtlengsfeld und Superintendent war. 1827 starb Isaac Kugelmann Heß. Sein Grab ist auf dem jüdischen Friedhof erhalten.

 

Ehemaliger Wohn- und Amtssitz des Landrabbiners Isaac Josef Kugelmann Heß am Frauenberg

 

Grab des Landrabbiners Isaac Kugelmann Heß auf dem jüdischen Friedhof

Nachfolger wird sein Sohn Dr. Mendel Heß. Er setzte sich kompromisslos für die rechtliche Gleichstellung der Juden ein. Seinem Einfluss war es z. B. zu verdanken, dass Ehen zwischen Christen und Juden nun möglich wurden. Jüdische Gottesdienste sollten in deutscher Sprache abgehalten werden. Das traf auf heftigen Widerstand großer Teile der jüdischen Bevölkerung. Ihr Gott verstünde kein Deutsch. Sie übten auch heftige Kritik, als er 1846 seinen Wohn- und Rabbinatssitz nach Eisenach verlegte. Doch die Anpassung der Juden an die mehrheitlich christliche Gesellschaft zeigte sich auch in Stadtlengsfeld auf vielen Gebieten. Etwa ab 1840 sind auf dem jüdischen Friedhof die Inschriften der Grabmale in Hebräisch und in deutscher Sprache abgefasst. Die jüdische Gemeinde entsandt ihre Vertreter in den Gemeinderat der Stadt. Juden wurden Vereinsvorsitzende. Die christliche und jüdische Schule vereinigten sich 1850 zur vereinigten Bürgerschule. Kinder aller Religionen wurden durch Lehrer aller Religionen gemeinsam in einer Klasse unterrichtet. Damit schrieb Stadtlengsfeld Schulgeschichte.

Grab des Dr. Moritz Rehfeld mit hebräischen und deutschen Schriftzeichen

Siegel der vereinigten Bürgerschule um 1860

Nachfolger wurde 1872 Dr. Theodor Kroner. Mit ihm kehrte der Wohn- und Amtssitz eines Landesrabbiners wieder nach Stadtlengsfeld zurück. 1878 verlor Dr. Kroner wie viele andere Einwohner durch einen Großbrand seine gesamte Habe. Er verließ 1883 Stadtlengsfeld und wurde Rabbiner in Erfurt.

Siegel des Landrabbiners Dr. Kroner

Als Nachfolger kam im gleiche Jahr Dr. Moses Salzer nach Stadtlengsfeld. Er übte auch mehrere Jahre den Vorsitz des Vereins israelitischer Lehrer Mitteldeutschlands aus. Er starb überraschend 1902 an den Folgen eines Herzschlages. Die Stadt hatte wohl seit vielen Jahrzehnten ein solches Leichenbegräbnis nicht gesehen. Der Verstorbene sei bei Hoch und Niedrig, Juden und Christen sehr angesehen gewesen, schrieb eine israelitische Zeitschrift. Sein Grab und auch das seiner Frau, befinden sich auf dem jüdischen Friedhof in Stadtlengsfeld.

Grab des Landrabbiners Dr. Moses Salzer

Grab Rosalie Salzer, Gattin des Landrabbiners Dr. Moses Salzer

Ihm folgte Dr. Joseph Wiesen 1898 in das Amt. 1911 genehmigte das Großherzogtum dem Umzug von Stadtlengsfeld nach Eisenach unter folgenden Bedingungen: „Wir wollen Ihnen gestatten, vom 1. Aprill 1911 ab auf die Dauer von drei Jahren Ihren Wohsitz nach Eisenach zu verlegen. Dabei bedingen wir, dass Sie Ihrer Zusage entsprechend nach Ablauf dieses Zeitraumes ohne weiteres nach Stadtlengsfeld zurückkehren werden. Als öffentlicher Sitz des Landrabbinates ist nach wie vor Stadtlengsfeld zu betrachten.“ Doch Dr. Wiesen hielt diese Zusage nicht ein. Er gründete in Eisenach am Schlossberg 10 ein Erziehungsheim für schwachbefähigte, nervöse, schwererziehbare Kinder. 1918 wurde Dr. Wiesen pensioniert. 1942 erfolgte seine Deportation in das Getto Therisienstadt, wo er noch im gleichen Jahr starb.

Landrabbiner Dr. Josef Wiesen

Wohnhaus von Dr. Josef Wiesen in Eisenach, Schlossberg 10

Stadtlengsfeld verdankt der jüdischen Gemeinde herausragende Persönlichkeiten. Sie machten die kleine Stadt auch weit über die Ländergrenzen hinaus bekannt. Hier ist wohl zunächst Dankmar Adler zu nennen, der 1844 in Stadtlengsfeld geboren wurde. Seine Mutter Sara aber starb schon drei Tage nach Dankmars Geburt. Sein Vater Liebmann unterrichtete an der jüdischen Schule und ab 1850 an der vereinigten Bürgerschule. 1854 bestieg er mit seiner zweiten Frau und den Kindern ein Schiff zur Auswanderung nach Amerika. Dankmar wurde dort ein weltbekannter Architekt, der mit der von ihm entwickelten Stahlskelettbauweise den Bau von „Wolkenkratzern“ erst möglich machte.

Rückseite des Grabmales von Sara Adler auf dem jüdischen Friedhof in Stadtlengsfeld

Dankmar Adler mit seiner zweiten Frau Dila 1880

Ein zu Lebzeiten weit über die Stadt Lengsfeld hinaus bekannter Arzt war Dr. Samuel Heß. Er erblickte 1784 in Stadtlengsfeld das Licht der Welt. Als er erst 50 Jahre alt starb, trug er den Titel eines Großherzoglichen Amtsphysikus und eines Landgräflichen Philippsthalischen Hofrathes. 1813 betrieb er in Stadtlengsfeld eine bedeutende Arztpraxis. Die Großherzogliche Regierung beauftragte ihn mit der Entwicklung des Hebammenwesens im Eisenacher Oberland, um der hohen Müttersterblichkeit nach Geburten Einhalt zu gebieten. Es wird berichtet, dass er seine ärztlichen Pflichten auch in den „Wohnstätten der Armuth“ und in den „Hütten des Elends und der Dürftigkeit“ erfüllte.

Ehemaliges Wohnhaus des Dr. Samuel Heß in der Jacobsgasse (abgerissen)

Doppelgrab des Dr. Samuel Heß und seiner Frau Regine auf dem jüdischen Friedhof in Stadtlengsfeld

Der erste jüdische Landtagsabgeordnet im Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach kam aus Stadtlengsfeld. Das geschah 1867. Er hieß Sandel (Samuel Löb) Rosenblatt. Hier in der Stadt Lengsfeld wurde er am 1817 geboren. Er starb 1895. Seine Grabstelle auf dem jüdischen Friedhof blieb bis heute erhalten. Den Titel eines Kommerzienrates erhielt Rosenblatt durch die Stiftung erheblicher Mittel für das Gemeinwohl. Er betätigte sich in der Stadt als Kaufmann, Materialhändler und Tuchfabrikant. Diese Fabrik hatte sich auf die Herstellung von Hosenstoffen spezialisiert. Diese Tuchfabrik befand sich in der Dermbacher Straße. Von 1850 bis 1891 war Sandel Rosenblatt Mitglied des städischen Gemeinderates. Hier trat er leidenschaftlich für die Vereinigung der christlichen und jüdischen Schulen zu einer vereinigten Bürgerschule ein. Als eine Ursache für die große Armut in beiden Gemeinden nannte er die ungenügende Bildung der Kinder. Nur wenn die Kinder vereinigt werden, wenn sie sich einander annähern, kann die konfessionelle Scheidewand, welche aber nur eine Scheidewand der Vorurteile ist schwinden. Bisher kannten sich die Erwachsenen nicht und deshalb wurden sie sich fremd. Sie hatten sich als Kinder nicht kennengelernt. Eine Schulvereinigung würde diese Vorurteile verblassen lassen. Das waren prophetische Worte.

Grab des Samuel Löb Rosenblatt

Im hohen Maße geachtet und geehrt wurde in allen Teilen der Stadtbevölkerung Jacob Huhn (geb. 1827 in Stadtlengsfeld). Sein Tod 1910 löste weit über die Grenzen der Stadt Betroffenheit und Anteilnahme aus. Die „Rhönzeitung schrieb: „Einer der ältesten und geachteste Einwohner hiesiger Stadt, der Kaufmann Herr Jacob Huhn, ist gestern früh im 83. Lebensjahre verstorben. Der Heimgegangene, welcher alle Zeit reges Interesse für das Wohl und Wehe seiner Heimatstadt bekundete, gehörte u. a. über 50 Jahre dem Gemeinderat an, auch verwaltete er bis in die letzten Jahre das Amt des Kultusvorstehers der israelitischen Gemeinde.“

Ehemaliges Wohn- und Geschäftshaus Jacob Huhn in der Amtsstraße (Bildmitte)

Grab des Jacob Huhn auf dem jüdischen Friedhof

Eine jüdische Schule wird 1799 genannt. Damals kaufte die Judenschaft in unmittelbarer Nähe der Synagoge ein Wohnhaus, welches abgerissen wurde. Auf diesem Grundstück errichteten sie die jüdische Schule. Ganz gewiss wurden auch schon davor die jüdischen Kinder von jüdischen Lehrern unterrichtet. Dieser Unterricht fand wahrscheinlich in Räumen der Synagoge statt. Die Einweihung der neuen jüdischen Schule geschah 1840. An diesem Ereignis nahm die ganze Stadt Anteil. Christliche und jüdische Einwohner fanden zusammen, um das neue Schulhaus seiner Bestimmung zu übergeben. Die großherzogliche Landesregierung selbst hatte finanzielle Mittel zum Bau und zur Ausstattung gegeben.
An der jüdischen Schule unterrichteten unter anderem Liebmann Adler, Hirsch Hecht, Hirsch Löwenstein, Julius Löwenstein, Jacob Salzer.
1841 warb der Landrabbiner Dr. Mendel Hess in der Zeitschrift „Der Israelit“ für die Bildung eines Instituts in der Stadt Lengsfeld: „Mit dem 1. Mai 1841 wird der Unterzeichnete ein Institut eröffnen, das die höhere Bildung des künftigen Kaufmannes, des Künstlers und überhaupt aller derer, welche dereinst in einen solchen Beruf, der keine eigentlichen Universitätsstudien erfordert, treten wollen, zum Zwecke hat. Die Unterrichtsgegenstände werden daher sein: Religion und Erklärung der Bibel, die neueren Sprachen, kaufmännische Buchhandlung, Arithmetik, Geometrie, Statistik, Naturwissenschaften, Technologie,
Zeichnen und Musik, sowie für diejenigen, welche sich dem Universitätsstudium widmen wollen, griechische und lateinische Sprache, so weit, dass sie später in die ersten Klassen eines Gymnasiums eintreten können. Die auswärtigen Zöglinge erhalten zugleich Kost, Logis und Wäsche, und zahlen hierfür, wie für den sämtlichen Unterricht, (mit Ausnahme der Musik) im Ganzen nur 200 Reichstaler preuß. Cour. jährlich, in vierteljährigen Raten. Ihrer Erziehung, wie ihrer Bildung, wird die möglichste Sorgfalt gewidmet werden, und um diesen Zweck vollständig zu erreichen, und die Zöglinge schon nach wenigen Jahren für ihren künftigen Beruf zu befähigen, werden einige tüchtige und erprobte Lehrer der Anstalt vorstehen, während diese selbst nur auf eine verhältnismäßig geringe Anzahl von Schülern beschränkt bleiben soll. Das Haus (ein früheres adeliges Schloss), in welchem der Unterzeichnete wohnt, bietet die nötigen Räumlichkeiten auf das Bequemste und Anständigste dar, und die erforderlichen literarischen Hilfsmittel können jederzeit billig und prompt von den benachbarten Städten Eisenach und Meiningen bezogen werden. Alle diejenigen Eltern, welche ihre Kinder dieser Anstalt anvertrauen wollen, werden daher ersucht, die desfallsigen Anmeldungen (auf welche die näheren Bedingungen noch mitgeteilt werden) baldmöglichst und spätestens vor dem ersten März 1841 zu bewirken, da sie später nicht auf die Annahme derselben rechnen können.
Stadt-Lengsfeld (im Großherzogtum Weimar).
Dr. M. Heß. Großherzlicher Weimarscher Land-Rabbiner“.
1850 schrieb die Stadt Lengsfeld ein Stück Schulgeschichte. Die christliche und jüdische Schule wurden zu einer gemeinsamen Schule zusammengelegt. Jeweils drei christliche und drei jüdische Lehrer unterrichteten nun christliche und jüdische Kinder in einer Klasse gemeinsam (mit Ausnahme des Religionsunterrichtes). Das war in den damaligen deutschen Ländern und Fürstentümern ein einmaliger und beispielgebender Vorgang.
Zunächst unterrichteten an der vereinigten Schule die jüdischen Lehrer Hirsch Löwenheim (1868), Liebmann Adler (bis 1854) und Julius Löwenheim (bis 1874), später Hirsch Hecht (bis 1874), Isaac Baumgart (bis 1903), Sandel Fuchs (bis 1881) und Willy Katz (bis 1926).

Ehemalige jüdische Schule in der Schulgasse

Der große Aderlass der jüdischen Gemeinde begann mit der Abwanderung vor allem nach Amerika (USA) im Jahre 1853. Und er dauerte bis 1868. In diesem Zeitraum verließen etwa 30 Juden als Einzelpersonen und als ganze Familien Stadtlengsfeld und suchten vor allem in den USA eine neue Existenz. Die Gesamtzahl der bisher ermittelten ab- und ausgewanderten jüdischen Einwohner von 1800 bis 1939 beläuft sich auf 99 Personen. Dies sind aber in den meisten Fällen die Namen der Familienoberhäupter. Kinder und Frauen werden hier kaum erwähnt, sodass sich die Gesamtzahl der Ab- und Ausgewanderten sehr beträchtlich erhöhen dürfte.

Jüdische Händler boten Produkte für den landwirtschaftlichen Bedarf, für das Handwerk, für Wohnungseinrichtungen oder für Versicherungsleistungen an. Sie hatten unter der christlichen Bevölkerung einen festen Kundenstamm, die jüdische Händler als ehrliche Geschäftspartner schätzten. Dafür gibt es mündliche Erinnerungen älterer Einwohner. Die jüdischen Händler hatten zudem weitreichende Handelsverbindungen. Dadurch konnten sie Dinge besorgen, die in unserer Region nur schwer zu beschaffen waren. Sie übernahmen selbst geringe Handelsgeschäfte, auch wenn sie nur kleine Gewinne abwarfen. Geschätzt wurde, dass man mit ihnen über Preise handeln konnte. Auch Ratenzahlungen waren möglich. Entgegen des immer wieder genährten Klischees, sie seine „Halsabschneider“, gaben sie Kredite mit niedrigen Zinsen. Ihre Waren zeichneten sich durch eine gute Qualität bei erschwinglichen Preisen aus.
Viele Jahre fest etabliert waren die jüdischen Geschäftshäuser

das Textilhaus Adolf Freudenberg in der Marktstraße 13

 

 

das Textilhaus Peter Wildmann in der Marktstraße 21 (wurde abgerissen)

 

das Textilhaus Siegmund Klaar in der Amtsstraße 4

 

 

die Fleischerei Hermann Freimark in der Burgstraße 1 (abgerissen)

 

 

die Möbelhandlung Simon Rothschild in der Ratsgasse 15

 

 

die Eisenwarenhandlung Ludwig Huhn in der Amtsstraße 5

 

 

In den Märzwahlen 1933 erhielt in Stadtlengsfeld die NSDAP die meisten Stimmen. Nach ihrer Machtergreifung ließen die Nationalsozialisten auch in Stadtlengsfeld keine Zweifel aufkommen, wie sie mit den jüdischen Einwohnern in Zukunft umzugehen gedenken.
Schon bald erfolgten zahlreiche Verbote von Parteien und Vereinen, darunter auch „Der Zentralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens“. 
Die antijüdische Hetze äußerte sich in zahlreichen Vorträgen, Versammlungen und Feiertagsreden. In Stadtlengsfeld fand am 16.02. 1934 eine Deutsche Christen-Feier statt.  Der Redner, Pfarrer Schellhorn aus Sättelstedt äußerte: „Gott spricht durch Adolf Hitler zu uns...“
Veröffentlichungen aus der „Eisenacher Zeitung Mitteldeutschlands“ und der „Thüringer Gauzeitung“, belegen, wie die Verfolgung der jüdischen Bevölkerung in Stadtlengsfeld immer schärfer und unerträglicher wurde. Vor dem Einzelrichter Dr. Schotte des hiesigen Amtsgerichtes stand ein jüdischer Viehhändler aus Schenklengsfeld. Er wurde verhaftet, weil er Vieh aufgekauft hatte, ohne im Besitz eines Ausweises zu sein (25.05.1935). Der Talmudforscher und Lehrer Rosenthal aus Kassel war wieder da und hatte einen begeisternden Vortrag im überfüllten Saal über das Weltjudentum gehalten (27.07.1935). Vor dem Amtsgericht klagten mehrere Juden wegen Körperverletzung. Dr. Schotte schlug alle Verfahren nieder (26.09.1935). Der Kreisleiter Nentwig erhält großen Beifall für eine Rede gegen das Weltjudentum und den Bolschewismus (21.11.1936). Baron von Boineburg aus Weilar hält Reden gegen das Judentum in Merkers. Er belegt das mit angeblich 200 Jahre altem Judenhass in Tiefenort und bezeichnet Lengsfelder Juden als Pferdejuden (29.05.1937).
Die systematische Ausmerzung der Juden in Stadtlengsfeld hatte Methode. Dazu gehörte, dass Behörden keine Gelegenheit ungenutzt verstreichen ließen, die Juden in zum Teil pöbelhafter Art und Weise zu behandeln. So wurden dem Fleischermeister Freimark Fensterscheiben eingeworfen. Man muss keine große Fantasie walten lassen, was die Motive solcher Taten waren. Der Fleischermeister Freimark beschwerte sich beim Bürgermeister und verlangte Schadenersatz. Der Antwortbrief des Bürgermeisters ließ keine Zweifel offen. Zuerst wurde die Beschwerde als „echt jüdische Frechheit“ bezeichnet. Dann wertete er das Einwerfen der Fensterscheiben als Reaktion eines Bürgers auf geschäftliche Betrügereien. Abschließend wurde der jüdische Bürger Freimark unver hohlen zum Verlassen der Stadt aufgefordert.
Zur Einschüchterung der noch verbliebenen Juden gehörte auch, dass kritische Aussagen zu Mitgliedern der örtlichen NSDAP zur Anzeige gebracht wurden.
Auch in Stadtlengsfeld wurde der Boykott jüdischer Händler und Geschäftsleute betrieben. Wahrscheinlich aber nahmen es nicht alle so genau damit. Wer dennoch bei Juden einkaufte, wurde denunziert.
An den Ortseingängen von Stadtlengsfeld ließ der Bürgermeister Rausche 1935 Schilder mit der Aufschrift „Achtung! Judengefahr!“ aufstellen.
Bezeichnend für die Ausgrenzung der jüdischen Einwohner aus dem öffentlichen Leben der Stadt waren Anzeigen wie "Judenfrei".

Der Höhepunkt der Judenverfolgung geschah in Stadtlengsfeld in der Nacht vom 9. zum 10. November 1938 in der Reichspogromnacht. Eine Augenzeugin erinnert sich: „In Stadtlengsfeld begann die Zerstörung der Synagoge am Abend des 10. November 1938. Nachdem der Befehl zur Zerstörung erteilt worden war, schlugen die dafür vorgesehenen Männer die Fenster ein. Durch Eintreten der Türen wurde sich gewaltsam Zutritt zum Inneren der Synagoge verschafft. Es dauerte auch nicht lange, da bot sich dem Beschauer ein grausiges Bild. Die Gebetbücher flogen auf die Straße. Es folgten zerbrochene Stühle und sonstige Einrichtungsgegenstände. Alles, was sich nicht zerschlagen ließ, fiel der Vernichtung anheim. Nachdem das Zerstörungswerk vollendet war, wurden die Eingänge mit Brettern vernagelt.“


Nicht nur die Synagoge, sondern auch auf dem jüdischen Friedhof wurde der Gewalttätigkeit Ausdruck verliehen. Grabstätten wurden verwüstet. Grabsteine umgeworfen und teilweise auch zerschlagen.“
Nach dieser Pogromnacht ist der Stadtlengsfelder Jude Hermann Freimark in "Schutzhaft"
genommen und einige Tage im Konzentrationslager Buchenwald inhaftiert worden. Wir wissen nicht, welche Gründe zu dieser Verhaftung geführt haben, die unmittelbare Nähe des Datums seiner Verhaftung lässt aber die Vermutung zu, dass dies im Zusammenhang mit der Zerstörung der Synagoge des Ortes geschehen war.


Nachdem die Synagoge ein Bild der Verwüstung bot, wurde die israelitische Gemeinde für diesen Zustand auch noch verantwortlichgemacht. Die wenigen noch in Stadtlengsfeld verbliebenen jüdischen Einwohner sollten die verwüstete Synagoge abreißen lassen und das Grundstück vom Bauschutt reinigen. Doch dazu war die bis auf wenige Mitglieder im Ort verbliebene israelitische Kultusgemeinde nicht mehr in der Lage. Natürlich wurde dieser Umstand auf dem Rathaus ins Kalkül gezogen. Der israelitischen Gemeinde blieb gar nichts anderes übrig, als auf das Grundstück mit den darauf befindlichen Gebäuden zu verzichten. Grundstück und Gebäude wurden also der Stadt überlassen.


Und so vollzog sich der Exodus der einst so großen jüdischen Gemeinde von Stadtlengsfeld nach der Machtübernahme durch die Faschisten:
• Schon im Juni 1933 zog der in der Amtsstraße 9 wohnende und Besitzer der Haarstrumpffabrik an der Dermbacher Straße Ludwig Huhn mit seiner Schwester nach Luxemburg. Von dort wanderte er 1936 nach Argentinien aus. Sein Haus in Stadtlengsfeld, Amtsstraße 9 verkaufte er an den Bücherrevisor Hans Jacob. Das auf der Volksbank Stadtlengsfeld (gesperrt) liegende Guthaben von 841,00 RM 1941 beschlagnahmt.
• Am 25.02. 1935 wanderte der Kaufmann Nathan Ullmann wohnhaft in der Amtsstraße 3 zusammen mit seiner Frau Sophie und seiner Schwester nach Palästina aus. Sein Haus in Stadtlengsfeld erwarb August Städtler. Nathan Ullmann zog 1905 nach Dorndorf und führte dort ein Geschäft. Sein Enkel Jonathan Ullmann (Abb. 112) besuchte 2017 aus Anlass der Annahme der deutschen Staatsbürgerschaft Dorndorf und Stadtlengsfeld.
• Willy Katz, der letzte jüdische Lehrer an der Bürgerschule Stadtlengsfeld, verkaufte sein im Borntal gelegenes Haus an den Gerichtsvollzieher Helmut Dankmar Lerch. Willy Katz zog mit seiner Frau und Tochter 1935 nach Frankfurt/Main, wo er noch im gleichen Jahr verstarb.
• Emma Kirsch verließ Stadtlengsfeld am 21.7.1938 wahrscheinlich nach Viernau, wo sie Verwandte besaß. Sie kam erst 1935 nach Stadtlengsfeld. Ihren Lebensunterhalt verdiente sie sich mit dem Aufkauf von Hasenfellen in der Umgebung von Stadtlengsfeld. Emma Kirsch wurde mit dem Transport XVI/1 Zug DA 517 am 19.09.1942 von Weimar in das KZ Theresienstadt deportiert. Sie überlebte.
• Die Familie Siegmund Klaar, die das Geschäftshaus Moses Klaar in der Amtsstraße 4 besaß, verzog am 28.8.1938 nach Erfurt. Das Geschäftshaus erwarb Frau Hedwig Meyenberg. Schon im Juli 1938 wurde bei der Thüringischen Industrie- und Handelskammer in Sonneberg der Antrag auf Arisierung57 der Firma Moses Klaar gestellt.
• Am 30.04.1938 wurden im Zuge der Reichsaktion der Polnisch-Jüdischen Staatsangehörigen Bella Wildmann, Geschäftsinhaber Peter Wildmann und Kinder Gerhard, Egon, Bella und Ruth nach Polen abgeschoben.
• Am 09.12.1938 verließen der Fleischer Hermann Freimark mit seiner Frau Mathilde Stadtlengsfeld und zogen nach Eisenach. Der Sohn Alfred und die Tochter Karoline wanderten 1938 in USA aus.
• Simon Rothschild (geb. 1885) die Ehefrau Selma (geb. 1888) und Tochter Ruth (geb. 1927) verließen am 16.6.1939 Stadtlengsfeld und zogen nach Frankfurt/M. Ihr Wohn- und Geschäftshaus in der Ratsgasse kaufte Anton Nensel. Der Sohn Kurt (geb. 1923) wanderte 1937 in die USA aus, während Tochter Lieselotte (geb. 1921) 1939 nach England floh.
• 1939 verkaufte Pauline Freudenberg das Geschäfts- und Wohnhaus von Adolf Freudenberg in der Adolf-Hitler-Straße 13 und Neue Straße 1 an den Porzellanhändler Heinrich Perniß. Pauline Freudenberg zog nach Eisenach, Adolf Freudenberg nach Leipzig.
• Als letzte jüdische Einwohnerin verließ die alleinstehende Golda Weiß Stadtlengsfeld. Sie zog nach Frankfurt/M. Ihr Haus kaufte Erich Meister. Über ihren weiteren Verbleib gibt es keine Nachrichten.
Ende 1939 gab es in Stadtlengsfeld keine Juden mehr. Die in andere Städte zogen, glaubten dort in größerer Anonymität vor den Schikanen der Nationalsozialisten unbehelligter zu sein. Aus Stadtlengsfeld wurden also keine Juden direkt in die Vernichtungslager deportiert. Aber die Bürokratie spürte die Abgewanderten im Deutschen Reich und in den besetzten Ländern auf und organisierte den Massenmord.


"Judenfrei"

Zerstörung der Synagoge

Verwüstete Synagoge

„Schutzhaft“
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