Schiffkanal

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Wasserstraße durch Stadtlengsfeld

Kahnfahrt Felda

Abbildung 19: Kahnfahrt auf der Felda unterhalb der Brücke, um 1920. Quelle: Archiv R. Schlegel, 2014

Es existiert ein Foto von Stadtlengsfeld aus den 1920er Jahren, da könnte man denken, der Ort läge an einem See oder an einem großen Fluss (vgl. Abb. 19). Es ist jedoch nur die kleine Felda, wo man einmal Kahn fahren konnte, nämlich oberhalb des (Fabrik-)Wehres.

Ein Korkstopfen-Fabrikant aus Dietlas, Konrad Rommel, verpflichtete sich zum Zweck der besseren Regulierung der Felda und der Wiesenwässerung ein baufälliges Wehr nahe der Kesselbrücke wieder instand zu setzen. Er erhielt 1910 dafür die Genehmigung der Bezirksdirektion in Dermbach (Rhönzeitung, 26. Juni 1910).

Nicht genug damit, die Felda wäre beinahe ein schiffbarer Kanal geworden. Das ist kein Scherz. Es gab einmal ernsthafte Planungen, einen Schifffahrtskanal durch die Rhön zu bauen. Seit 1819 liegen im Staatsarchiv von Bremen Akten über einen französischen Weser-Main-Kanal, der bei Bremen beginnen sollte. Es ist die Rede von einer Trasse über Weser und Werra zum Main, da hier mehr Wasser vorhanden sei als bei anderen Projekten. In einem der Schriftstücke wird der Weg durch die Saale nach Gemünden am Main erörtert:

Eine Viertelstunde oberhalb Vach (Vacha, der Autor) ergießt sich ein kleiner Fluss (die Felda, der Autor) in die Werra, welcher bey Kalten-Nordheim, über Fischbach, Dermbach und Stadtlengsfeld vorbeyfließt. Eine Viertelstunde von Kalten- Nordheim entspringt die Saale und fließt bei Fladungen, Ostheim, Mellrichstadt, Neustadt, Kissingen, Hammelburg, Gemünden in den Main. Auf diesem Wege wäre ein Kanal-Bau möglich und am vorteilhaftesten für die Weser.“

Die Werra-Main-Route ist schon im 17. Jahrhundert einmal erörtert worden. Durch Korrespondenzen von Gemündener und Kasseler Kaufleuten wurden dem Bremer Senat Stimmungsbilder gegeben sowie Mitteilungen über die Vorteilhaftigkeit der Trasse gemacht. [10]

Landkarte Weser-Main-Kanal

Abbildung 20: Ausschnitt aus einer Planungskarte für den Weser-Main-Kanal mit dem Hinweise auf den Bau einer Talsperre mit 46 Mio. Kubikmeter Fassungsvermögen südlich von Stadtlengsfeld. Quelle: Archiv R. Schlegel, 2020

Im Jahr 1847 ist ein drittes Mal Anlauf zur Schiffbarmachang der Werra unternommen worden. In den Papieren ist von Kanälen die Rede, die der Werra und der Weser mehr Wasser schaffen würden. Der vorletzte Gedanke zur Schiffbarmachung der Werra wurde mit einer Verfügung des preußischen Ministers der öffentlichen Arbeiten vom Jahr 1886 abgetan. Wie man heute weiß, für immer. Dennoch gab in Hessen Planungen bis 1963. In Vacha stand der Ausbau der Werra als Schiffkanal zwischen 1900 und 1914 häufig auf der Agenda des Gemeinderats. Eine entsprechende Planungsgesellschaft (Förderverein) gab es auch. Kurioserweise bot um diese Zeit eine Schiffswerft in Vacha ihre Dienste an (vgl. Abb. 20). An dieser Stelle soll angemerkt werden, dass um 1908 noch Holzflößerei auf der Werra betrieben wurde!

Beinahe als Scherz kann man in diesem Zusammenhang die Existenz eines „Deutschen-Flottenvereins – Zweigstelle Dietlas“ auffassen. Ihn gab es aber wirklich in Dietlas, der sich über die Jahre durch zahlreiche Aktivitäten hervortat (vgl. Rhönzeitung, 5. Dezember 1909), im Februar 1914 wird sogar eine Ortsgruppe Stadtlengsfeld vermeldet (Rhönzeitung, 25. Februar 1914). Dass es einigen Leuten ernst war, zeigt ein Bericht von 1910. Zwei junge Offiziere aus Danzig fuhren mit einem Ruderboot von Meiningen die Werra hinab, übernachteten in Vacha und kamen schließlich über die Weser in Bremen an (vgl. Rhönzeitung, 2. Juni 1910, Abb. 21).

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Abbildung 21: Eine Schiffbau-Firma bietet regelmäßig ihre Dienste in Vacha an. Quelle: Rhönzeitung, 19. Mai 1907

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Der Kanal sollte zwischen der Werra-Mündung und Bamberg gebaut werden. Die Höhenstufen befanden sich wie folgt: Hannoversch-Münden 120 m - Treffurt 175 m - Meiningen 310 m (Scheitelpunkt) -  Römhild 310 m - Heldburg 290 m - Bamberg 231 m. Konzipiert war der Kanal für Schiffe bis zu 1000-t. Zur Speisung waren 6 Talsperren in der Region ins Auge gefasste worden. Nebenbei sollten 178 GWh Strom an 21 Schleusen und 31 GWh an Talsperren gewonnen werden. Eine dieser Talsperren sollte tatsächlich oberhalb von Stadtlengsfeld errichtet werden (vgl. Abb. 20)

Es wäre dennoch schön gewesen, Stadtlengsfeld mit der Nordsee verbunden zu sehen!

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