|
|
|
|
|
Grenzwege
Quer über die ganze Hochrhön verläuft eine teilweise noch sehr gut sichtbare mittelalterliche Grenzbefestigungsanlage – die Landwehr, auch Hahl, Hehl, Höhl, Verhak oder Hähl genannt (vgl. Abb. 5 und 8). Mit Landwehr (auch Landgraben und Landhege) werden Grenzmarkierungs- bzw. Grenzsicherungswerke sowie Umfriedungen von Siedlungsgebieten bezeichnet. Sie entstanden zumeist im Hoch- und Spätmittelalter. Sie konnten in Einzelfällen Längen von über hundert Kilometer erreichen.
Der römische Limes ist ein antiker Vorläufer solcher Befestigungen. Der Bau einer Landwehr war eine wirksame Maßnahme, die Bevölkerung eines Siedlungsgebietes oder Territoriums gegen Übergriffe zu schützen und einen Rechtsbezirk abzugrenzen. Es war aber auch Sinn und Zweck der Landwehr, sich vor umherziehenden Rittern und anderen Raubgesindel zu schützen. Auf Grund des Gebücks (Hecke) und des dem Feind abgewandten Grabens war die Landwehr bei einer kriegerischen Verteidigung völlig ungeeignet.
In erster Linie ging es aber um Zölle, denn hinter der Landwehr war bereits Ausland. Manch Ungemach mussten die Reisenden auf sich nehmen, wenn sie die Mautstellen passierten. Wie penibel Zöllner sein können, weiß wohl jeder Tourist auch noch heute.
|
|
|
|
Ursprünglich hatte dieses Graben-Wall-Graben-System eine Breite von drei Waldgerten bzw. Ruten (=17 bis 22 Meter), wobei der Wall in der Regel 8 bis 11 Meter breit und 3 bis 4 Meter hoch war. Die beiderseitigen Gräben hatten eine durchschnittliche Breite von 5 Meter. Die Wallkrone war zusätzlich mit dichtem Gehölz bepflanzt, welches ineinander verwachsen war. Man nannte es das Gebück oder Gedörn. Es wurde ständig kurz gehauen, wieder aufgezogen und die langen Äste ineinander verflochten. Es war für Mensch und Tier nahezu undurchdringlich. Dabei kam es auch darauf an, dass der Wall möglichst steile Böschungen hatte.
Die Gemeinden, durch deren Gemarkung die Landwehr verlief, hatten auch für ihren Unterhalt zu sorgen und den Hählmann zu stellen, der in einem Schlaghäuschen saß und die mit einem Schlagbaum versehenen Durchlässe bewachte. Rhön- oder Hählknechte kontrollierten den Zustand der Landwehr in regelmäßigen Abständen.
Letztlich trug die Bevölkerung mit Frondiensten den Bau und die Instandhaltung der Landwehr. Mit Schaufel und Spitzhacke wurde in jahrelanger Arbeit das Werk errichtet, um letztlich den Finanzhaushalt der Landesherren aufzubessern.
Die Kombination von Gebück und Gedörn diente zudem zur Einhegung von Viehweiden und als Leitlinie, zum Beispiel bei der Wolfsjagd. Häufig finden sich Wolfkuhlen entlang solcher Hähle. Der frühere Name von Steinberg wurde zu Wölferbütt. Die Sage dazu ist wohl in der Rhön bekannt. Es ist denkbar, dass die Hähl von Steinberg auch etwas mit der Wolfsjagd zu tun hatte.
Ganz in der Nähe von Stadtlengsfeld und unweit von Wölferbütt existierte bei Weilar eine Hähl. Auf einer Karte aus dem Jahr 1863 gibt es die Flurbezeichnung Oberweilar bzw. „vor dem Hähl“. Das ist heute etwa die Waldecke zwischen Weilar und Hartschwinden. Dort war die Boineburger Landesgrenze. Sie kreuzte oberhalb der Papiermühle die Felda und den Wiesenthal-Bach in Richtung Urnshäuser Flur (vgl. Abb. 6). Am Waldrand in Richtung Baier-Emberg ist noch ein gut erhaltener Grenzstein zu vorhanden. Auf der Vorderseite kann man die Inschrift „Nr. 133 S 1764“ erkennen; auf der Rückseite „F (Amt Fischberg) 1343“ (vgl. Abb. 8).
|
|
|
|
Abbildung 6: Ausschnitt aus einer Landkarte von 1823; der markierte Grenzverlauf des Boinburg'schen Gerichtsbezirkes entspricht der Landwehr; die Flurbezeichnung „Vor dem Hähl“ weist darauf hin; diese Grenze geht auf eine schon im Jahr 1532 existierenden Grenzlinie zurück. Quelle: Archiv R. Leimbach, 2014, verändert
|
|
|
|
|
|
Noch gut erhalten sind Teile der Landwehr in der Nähe vom Emberg bei Oberalba, die ehemals die Würzburgisch-, Fuldisch-, Hessisch- und Boineburgschen Gebiete trennte. Am Ernberg (heute Emberg) befand sich auch eine Grenzstation. Das jetzt noch vorhandene, an der Öchsen–Geblarer Grenze einzeln stehende Stockhaus, Zollhof genannt, war einmal die Station eines Hählknechts. Auf der einer Landkarte von 1721 ist dort der sog. Zollstock eingetragen worden (siehe Abb. 9).
Der Verlauf der Hähl wurden von C. E. Bach im Jahr 1897 beschrieben. In der im Jahr 1619 vorgenommenen Grenzbereitung ist ganz genau die damalige Grenzlinie am Emberg festgestellt (vgl. Abb. 7):
„Zu ende des Geisergeholtzes, da es die Sachsenburg genannt wird, stehet ein großer stein, welcher die Geiser und Öchsener mit ihrem gehölz scheidet, alda sahen sich wiederum die Grenzstein an, welche außerhalb des Fischbergischen Hähls am Öchsener gehölz hinunter gesetzt, gegen an das Grenzhaus den Ernberg, an die Oberälber Acker. Von Anfang des ersten Steins (wo das Geisergehölz endet) bis an den Emberg sind 21 grenzstein und 6 Hegenseulen zu finden, ist auch zum Theil dis gar an das Ernhaus undt an den schlag ein stück Graben aufgeworfen. Darbey zu wissen, das dieses Ernberg Grentzhaus dem Ambt Fischberg allein zustehet ist mit einem zwiefachen Schlag und aufgeworfenen graben versehen und findet die Dorfschaften des Ambt Fischbergh schuldig, dieses Haus auf ihre Unkosten in baulichen wesen, ohne Zuthun der Herrschaft zu erhalten, was aber an gehölz dazu bedürftig, wird aus den Ambtsgehöltzten ohne bezahlung dazugegeben. Förder vom Ernberg-Haus nachdem Bayer zu ist anfangs nicht verseuet oder versteinet, sondern ein doppelaufgeworfener graben, grentzt hierorts noch mit den Öchsner so ins Amt Vach gehörig, und dann fort an der Vachischen oder Hirschfeldischen Grenze“ (Hersfeld-, der Autor). [8]
|
|
|
|
|
Abbildung 7: Überreste der Landwehr (Hähl) am Emberg bei Oberalba bis an die nördliche Wegegabelung zum Baiershof. Quelle: R. Leimbach, 2014
|
|
|
|
|
Östlich von Bernshausen gab es ebenfalls diese Grenzbefestigung („Bernshäuser Hähl“), die schon unter den Hennebergern errichtet wurde. Das besonders gesicherte „Roßdorfer Tor“ war zugleich ein Grenzübergang und Zollstation an der nach Breitungen führenden mittelalterlichen Handelsstraße. Jene Hähl wurde im Jahr 1426 vom Grafen Georg I. von Henneberg und dem Markgrafen Wilhelm von Meißen errichtet, um deren Besitzungen zu schützen. Er bildete aber zugleich auch die Grenze zwischen dem sächsischen und Würzburgischen Gebiet. Im Jahr 1580 ist sie erneut versteint, das heißt mit Grenzsteinen versehen worden.
|
|
|
|
Noch in einer Grenzbeschreibung des „Ambt Fischbergks“, anno 1668, wird ausgehend vom Kaltennordheimer Forst in Richtung Klings, Diedorf, Empfertshausen, Zella, Andenhausen, Stadtlengsfeld, Weilar, Schönsee, Urnshausen etc. des Öfteren die Hähl als markanter Grenzverlauf beschrieben: „... Vom Geißer geholtz forth an daß Öchßener gehöltz, biß dahin es auch wieder vergraben und versteinet und hält man sich gleichfals der Häel stöcke, zu ende Geißers gehöltzes da es die Sachßenburgk genant wird, steht ein groser stein, welcher die Geißer und Öchßener mit ihren Gehöltzen scheidet...“. [8]
|
|
|
|
|
|
|
Abbildung 9: Ausschnitt aus einer Landkarte aus dem Jahr 1721 mit der Region um Öchsen, in welchem die alte Handelsstraße zwischen Frankfurt und Leipzig verzeichnet ist. Quelle: Archiv R. Schlegel 2024
|
|
|
|
Copyright R. Schlegel 2024 2025
|
|